Stellungnahme der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Sachsen-Anhalt zum schriftlichen Anhörungsverfahren des Sozialausschusses „Reproduktive Selbstbestimmung stärken. Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Sachsen-Anhalt sicherstellen.

10. Mai 2023

Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Sachsen-Anhalt bedankt sich herzlich für die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme zur Drs. 8/2139 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Reproduktive Selbstbestimmung stärken. Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Sachsen-Anhalt sicherstellen“ und nimmt wie folgt Stellung:

Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Sachsen-Anhalt (LIGA) vertritt auf Landesebene Träger von insgesamt 37 vom Land geförderten Schwangerschaftsberatungsstellen und hat dadurch Einblick sowohl in die Bedarfe und Bedürfnisse von Frauen im Schwangerschaftskonflikt als auch in die Strukturen der Finanzierung des entsprechenden Beratungsangebotes, welches eine Pflichtaufgabe des Landes darstellt.

Der Antrag spricht eine Vielzahl von Themen an, deren Beachtung und Diskussion auch aus Sicht der LIGA dringend erforderlich ist. Aufgrund der Tatsache, dass die LIGA seit Jahren den Schwerpunkt der nicht auskömmlichen Finanzierung von Schwangerschaftsberatungsstellen bearbeitet, wird sich die LIGA in ihrer Stellungnahme hauptsächlich auf Punkt 1 des Antrages fokussieren. Die weiteren Themen sind ebenso wichtig, auf sie kann hier jedoch nur kurz Bezug genommen werden. Für alle Punkte des Antrages steht die LIGA mit ihrer Expertise für tiefergehende Gespräche gern zur Verfügung.

Gesetzentwurf zur Änderung des Ausführungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG-AG LSA)
Bereits seit vielen Jahren zeichnet sich ab, dass zahlreiche Träger von Schwangerschaftsberatungsstellen aufgrund steigender Eigenanteile erhebliche Schwierigkeiten haben, das Beratungsangebot aufrecht zu erhalten. Diese Problemanzeigen wurden regelmäßig gegenüber dem Sozialministerium kommuniziert und Verbesserungen gefordert.
Mit ihrer Positionierung „Finanzierung der Schwangerschaftskonfliktberatung in Sachsen-Anhalt“ (vgl. Anlage) hat sich die LIGA im Februar 2021 an das Sozialministerium gewandt und dieses aufgefordert, eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen.

Auf Initiative der LIGA AG Beratung folgten 2022 regionale Gespräche mit Abgeordneten des Sozialausschusses in Schwangerschaftsberatungsstellen bei unterschiedlichen Trägern. Dabei wurden Einblicke in die inhaltliche Arbeit ermöglicht sowie für die Herausforderung der Träger, Eigenmittel bis zu einem fünfstelligen Betrag aufzubringen, sensibilisiert.

Die Verhandlungen mit dem Sozialministerium bewegen sich seit Jahren nur stockend und die Problemlage hat sich durch steigende Personal- und Sachkosten vielerorts weiter verschärft. Eine dringend erforderliche auskömmliche Finanzierung ist für zahlreiche Träger weiterhin nicht gegeben. Die Trägerlandschaft zeigt sich sehr heterogen. Dies spiegelt sich auch darin wider, inwieweit die Kosten der Beratungsstellen abgedeckt sind. Die Antwort vom 3.1.2023 (Drs.8/2082) auf die Kleine Anfrage des Landtagsmitglieds Matthias Redlich (CDU) zeigt, dass im Jahr 2020 zehn der 39 Beratungsstellen eindeutig unterfinanziert waren, d.h. sie erhielten weniger als 80% der Förderung, wie § 5 Abs. 2 SCHKG-AG LSA fordert. Das bedeutete Eigenanteile bis zu 39.000€. Dies entspricht keinesfalls den gesetzlichen Vorgaben. 27 der 39 Beratungsstellen mussten mehr als 10.000€ Eigenanteil im Jahr 2020 aufbringen, was nach aktueller gesetzlicher Regelung zwar im Rahmen liegt, jedoch eine enorme Belastung für die Träger darstellte. Dies ist mit einem kostenfreien Beratungsangebot nicht leistbar.
Die zuletzt beschlossenen Erhöhungen konnten die kritische Situation der Träger nicht wesentlich verbessern.

Daher bekräftigt die LIGA ausdrücklich ihre Forderung nach einer 100%-igen Finanzierung der Personalkosten gem. des aktuell gültigen TV-L sowie der Sach- und Gemeinkosten in auskömmlicher Höhe. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf zur Aufrechterhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsangebotes. Gern begleitet die LIGA die weiteren Schritte zur Umsetzung.

Sicherstellung von Schwangerschaftsabbrüchen in landeseigenen Kliniken /
Sicherstellung, Methoden des Schwangerschaftsabbruches im Rahmen der Facharztausbildung erlernen zu können / Öffentlich einsehbares Verzeichnis über Kliniken und Praxen in Sachsen-Anhalt, welche Schwangerschaftsabbrüche durchführen und die angewandten Methoden sowie dessen laufende Aktualisierung

Auch die LIGA nimmt wahr, dass die Möglichkeiten, einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch in Sachsen-Anhalt durchzuführen, zurückgehen. Die LIGA befürwortet den freien und niedrigschwelligen Zugang zu allen Informationen, den Schwangerschaftsabbruch betreffend.

Schulische Bildung zur Verhütung und Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften – Öffentliche Kampagne des Landes zum Thema sexuelle Bildung
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 SCHKG hat jede Frau und jeder Mann den Rechtsanspruch auf Beratung und Information über Sexualaufklärung. Seit über 30 Jahren gehört es zu den wesentlichen Aufgabenbereichen der Schwangerschaftsberatungsstellen im Land Sachsen-Anhalt präventive Angebote im Bereich der Sexualpädagogik / sexuellen Bildung durchzuführen.
Eine Stärkung dieser Angebote unter Bereitstellung der entsprechenden Ressourcen sowie eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, um diesen Tätigkeitsbereich der Schwangerschaftsberatungsstellen noch besser bekannt zu machen, begrüßen wir ausdrücklich.

Einsatz des Landes auf Bundesebene für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches
Aufgrund der Pluralität der Haltungen der einzelnen Wohlfahrtsverbände kann die LIGA hierzu keine einstimmige Stellungnahme abgeben.

Stellungnahme der LIGA zum Download