Pressemitteilung des LIGA-Fachausschusses „Migration“: Massive Kürzungspläne der Bundesregierung stoppen!
16.08.2023
Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege im Land Sachsen-Anhalt e. V. zeigt sich angesichts der dramatischen Kürzungsvorhaben im Bundeshaushalt 2024 fassungslos. Sie fordert eine gesicherte Finanzierung der Angebote der Wohlfahrtspflege im Bereich „Flucht und Migration“ und die Zurücknahme der Kürzungspläne.
Das Kabinett hat am 5. Juli 2023 den Entwurf des Bundeshaushalts 2024 beschlossen. Die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Kürzungen hätten eine erhebliche Beeinträchtigung der ohnehin schon durch Finanzunsicherheit, Personalmangel und die hohe Nachfrage überlasteten Beratungsstrukturen zur Folge. Es droht ein Wegfall von mehr als 30 Prozent der Beratungskapazitäten in Sachsen-Anhalt.
Hervorzuheben sind dabei drastische Einschnitte in drei Förderprogrammen:
(1) Jugendmigrationsdienste mit dem „Respekt-Coaches-Programm“ (JMD)
Die Mittel für die JMD wurden im Haushaltsentwurf 2024 um knapp 40 % reduziert. Die Berater*innen unterstützen junge Menschen in Ausbildungsbetrieben, an Schulen und in Integrationskursen und sind unentbehrliche Schnittstelle zwischen jungen Zugewanderten und den Behörden Sachsen-Anhalts. Integrationsleistungen für junge Menschen werden durch die vorgesehenen Kürzungen in einem nicht hinnehmbaren Umfang beschnitten.
Das Zusatz-Programm „Respekt-Coaches“ ergänzt die JMD-Arbeit um Demokratiebildung und Extremismusprävention an Schulen. Die Tätigkeit der „Respekt-Coaches“ soll zum Jahresende 2023 vollständig eingestellt werden. Leidtragende sind die beteiligten Schulen und Schüler*innen in Sachsen-Anhalt. Die Auswirkungen sind vor dem Hintergrund der extremen Zunahme der Gewalt an öffentlichen Schulen und des Erstarkens rechtsextremer Tendenzen in Sachsen-Anhalt schlicht desaströs.
(2) Migrationsberatung für Erwachsene Zuwanderer und Zuwandererinnen (MBE)
Durch Kürzungen in Höhe von etwa 30 % im Bereich der MBE entstehen erhebliche Finanzengpässe für die Beratungsstrukturen. Zudem stehen sie dem seit 2022 massiv gestiegenen Beratungsbedarf entgegen, für den erst im Jahr 2022 Sondermittel zur Verfügung gestellt wurden. In Sachsen-Anhalt bieten 34 Mitarbeiterinnen in 21 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege professionelle sozialpädagogische Beratung für erwachsene Zugewanderte an. Im Jahr 2022 wurden hier rund 11.000 Personen unterstützt.
Niedrigschwellige Informationen, umfangreiche komplexe Beratung, Begleitung bei Behördengängen, kostenlose Übersetzung, Fachveranstaltungen und Workshopangebote erleichtern die berufliche und gesellschaftliche Integration der Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte. Unterstützung wird auch von Behördenmitarbeitenden sowie Arbeitgeber*innen der Regionen angefragt. Eine Kürzung widerspricht den Zielen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das den Rahmen für eine gezielte und gesteigerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern setzt.
(3) Unabhängige Asylverfahrensberatung (AVB)
Ebenso einschneidend sind die vorgesehenen Kürzungen im Bereich der AVB. Die Mitarbeiter*innen unterstützen Asylsuchende bei der Durchführung eines fairen und rechtsstaatlichen Asylverfahrens. Geplant ist ein Wegfall der Hälfte der bereits zugesicherten Bundesmittel – ein Vorgehen, das gegen den im Koalitionsvertrag vereinbarten Aufbau weiterer Beratungsstrukturen verstößt.
Im Laufe des Jahres 2023 entstanden in Sachsen-Anhalt zusätzlich zwei neue Standorte der AVB in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Die bisher landesgeförderten AVB-Standorte wurden in die Bundesförderung überführt. Außerdem wurden zwei Standorte für besonders Schutzbedürftige und vulnerable Gruppen eingerichtet. Die erst kürzlich aufgebauten Strukturen drohen erneut wegzubrechen, sollte die ursprünglich geplante Aufstockung um 20 Mio. € nicht erfolgen.
Gesellschaftliche Teilhabe massiv gefährdet – Absicherung der Beratungsstrukturen für gesellschaftlichen Zusammenhalt sicherstellen!
„Die Migrationsfachdienste sind abhängig von planungssicheren und auskömmlichen Bundesmitteln. Sie bilden in Sachsen-Anhalt ein sehr starkes Beratungsnetz, welches für die soziale und berufliche Integration von Zugewanderten sowie für die die Förderung der Vielfalt in unserer Gesellschaft entscheidend ist“, betont Antje Ludwig, Vorstandsvorsitzende der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege im Land Sachsen-Anhalt e. V.
„Schon die tarif- und inflationsbedingten Kostensteigerungen stellen die sozialen Träger vor große Herausforderungen. Mit den drastischen Kürzungen der Bundesmittel müssten viele Beratungsstellen und soziale Akteure ihre Arbeit einstellen oder erheblich reduzieren. Wir erwarten folglich massive Einschnitte bei einer Vielzahl von sozialen Angeboten, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dies würde die Lebensqualität aller Menschen vor Ort weiter beschneiden und damit eine nachhaltige Schwächung der gesellschaftlichen Teilhabe und des Zusammenhaltes bedeuten“, warnt Antje Ludwig weiter.
Pressemitteilung der LIGA zum Download (bitte klicken).