In einem Brief an Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff formulieren die Wohlfahrtsverbände in Sachsen-Anhalt die Erwartung, an Beschlüssen und Schritten zur Lockerung der Corona-Eindämmungsmaßnahmen besser und vorbereitend beteiligt zu werden.

Die ordnungspolitischen Maßnahmen, die die Landesregierung ergriffen hatte, um seit Mitte März 2020 die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, haben Wirkung gezeigt. Die damit erreichte Fallzahlentwicklung ermöglicht es, Lockerungen vorzunehmen. Die Fünfte Eindämmungsverordnung hat diesen Weg bereits vorgezeichnet. Sie hat aber auch gezeigt, dass die Umsetzung in den sozialen Leistungsbereichen sensibel und im Miteinander begleitet werden muss. Der Prozess ist so zu gestalten, dass der Schutz der Bevölkerung und das solidarische Miteinander in der Gesellschaft unterstützt werden und ein zweiter Lockdown vermieden wird.

Da es bislang wenig gesicherte Erkenntnisse zur Rolle der sozialen Einrichtungen und Dienstleistungen im aktuellen Infektionsgeschehen gibt, müssen Öffnungen oder Teilöffnungen aus epidemiologischer Sicht bewertet werden. Nur so kann die Effektivität einer Maßnahme eingeschätzt und ein möglicher Rahmen für weitere Öffnungen gesteckt werden.

Die Sozial, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in den Wohlfahrtsverbänden brauchen einen vorausschauenden Planungsprozess und einen engen Fachaustausch. Es müssen verschiedene Perspektiven der geplanten Regelungen vorgeschlagen und abgewogen werden können. „Bitte nicht noch mehr Stress für die, die seit Wochen maximal gefordert sind“, sagt der Vorsitzende der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Wolfgang Schuth. Die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Wohlfahrtsverbände sollten respektiert werden, denn sie gehören zu einem planvollen Agieren dazu. Diese Planungen dienen dem dringenden Gebot, vulnerable Bevölkerungsgruppen zu schützen, aber auch einen zweiten Lockdown zu verhindern.

Wir fordern eine auf epidemiologischen Erkenntnissen aufbauende verlässliche Rahmensetzung für Öffnungsschritte mit gemeinsam zu diskutierenden Modellen, die für die leistungserbringende Seite eine Berücksichtigung der regionalen und individuellen Umsetzungsmöglichkeiten vorsieht. Wir fordern eine sofort beginnende regelmäßige Testung für alle Mitarbeitenden und Bewohner bzw. Klienten in den sozialen Einrichtungen und Dienstleistungen, um den Infektions- und Immunstatus der Mitarbeitenden und der Bewohner bzw. Klienten festzustellen. Es braucht längere Übergangsfristen zwischen der Veröffentlichung einer Verordnung und der Öffnung oder Lockerung für einzelne Bereiche. Soziale Einrichtungen müssen Schutz- und Hygienemaßnahmen umsetzen und Mitarbeitende in veränderten Schichtsystemen einsetzen.

Maßnahmen sollten so geplant werden, dass sie ungleichzeitig und aufeinander aufbauend vollzogen werden können. Es braucht die von Virologen und Epidemiologen empfohlenen Zeiträume für eine Bewertung der Entwicklung der Fallzahlen.