Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege lehnt den Antrag der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt zu einem „Allgemeinen Sozialen Dienstjahr (ASD)“ für Jugendliche in sozialen Einrichtungen ab. Die schon seit über 50 Jahren bewährte Form von zivilgesellschaftlichem Engagement trägt maßgeblich durch ihren freiwilligen Charakter dazu bei, dass der Dienst seine Wirkung erzielt. Zudem sieht die LIGA in einem Pflichtjahr für Jugendliche keineswegs eine Lösung für Arbeitsmarktprobleme im sozialen Sektor.

Ein verpflichtendes Dienstjahr kann personelle Engpässe und den bestehenden Fachkräftemangel in sozialen Einrichtungen nicht beheben. Sowohl im Rettungsdienst als auch im Bereich „Leben im Alter“ und in den pädagogischen Diensten werden ausgebildete Fachkräfte und keine freiwillig Helfenden gesucht. Die Qualität der sozialen Arbeit würde unter dem Versuch der Kompensation von Fachkräften durch zum Dienst verpflichteter Jugendlicher leiden. Vor allem im sozialen Bereich kann ein Pflichtjahr nur kontraproduktiv sein, da hier die Identifikation mit der Tätigkeit in der Arbeit am Menschen im Vordergrund steht.

Auch dem Grundsatz der Freiwilligkeit kommt ein enormer Stellenwert zu. Gerade weil die Freiwilligen durch ihre intrinsische Motivation einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, ist die freie Entscheidung zu einem solchen Dienst existentiell. Aufgabe der freien Jugendhilfe ist es, Kinder- und Jugendliche dabei zu unterstützen, sich als selbstständig agierende Mitglieder der Gesellschaft zu verstehen. Zwänge und gesetzliche und politische Vorgaben erfahren Kinder und Jugendliche in hohem Ausmaß während der Schulzeit. Einen Zwang darüber hinaus auszuüben, hemmt Jugendliche und junge Erwachsene in der Subjektbildung. Eine Gesellschaft, die den Menschen als emanzipiert und mündig betrachten will, darf gerade Jugendliche, die sich in wichtigen persönlichen Umbrüchen befinden, nicht mit noch mehr Zwängen begegnen, sondern sollte Freiheit für Orientierung bieten.

Statt der Rückkehr zur allgemeinen Dienstpflicht, die dem Fachkräftemangel nicht entgegenwirken kann und die Einsatzstellen vor die Herausforderung stellt, zwangsverpflichtete Menschen in großer Zahl für ihre Tätigkeit zu motivieren, fordert die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Sachsen-Anhalt dazu auf:

  • die bestehenden Strukturen der Freiwilligendienste auszubauen, finanziell abzusichern und die Verantwortung der zivilgesellschaftlichen Träger zu stärken,
  • das Trägerprinzip aus dem „Freiwilligen Sozialen Jahr“ auch im Bundesfreiwilligendienst zu verorten,
  • die Bürokratie abzubauen,
  • die Anerkennungskultur für Freiwillige auszubauen, z. B. durch kostenlose Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Befreiung von Rundfunkgebühren, Anerkennung als Wartesemester bzw. Berufspraktika und vieles mehr und
  • die Freiwilligendienste noch stärker inklusiv zu öffnen (z. B. Freiwilligendienste für Geflüchtete, Menschen mit körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigungen/Einschränkungen) und die dazu nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Hintergrund zu gesetzlich geregelten Freiwilligendiensten

In Deutschland engagierten sich 2018 über 80.000 Menschen in den gesetzlich geregelten Freiwilligendiensten. Hiervon ca. 53.000 im „Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ)“, 3.000 im „Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ)“ und ca. 27.000 im Bundesfreiwilligendienst (BFD). In Sachsen-Anhalt sind laut der Schulabgänger*innenzahlen 2017/2018 ca. 20 Prozent der Schulabgänger*innen in den gesetzlich geregelten Freiwilligendiensten aktiv. Die Freiwilligen engagieren sich in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen und begleiten ältere Menschen. Sie werden tätig in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in Krankenhäusern, unterstützen Sportvereine, kulturelle Institutionen und Feuerwehren.